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Manfred Lütz über Glück und sein neues (Hör)Buch

Prof. Lütz, warum noch ein Buch über „Glück“ - die Buchhandlungen sind doch voll davon?

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Sie haben Recht, es gibt eine Fülle von Glücksbüchern. Aber ich glaube, dass diese Glücksbücher die Menschen im Grunde unglücklich machen - weil ein Ideal vorgestellt wird, dass der Leser gar nicht erreichen kann: das persönliche Ideal des Autors. Aber der Leser ist ja jemand anderes.

Und so ist mein Buch kein Ratgeber, der von oben herab versucht den Leuten etwas zu vermitteln - ich versuche den Menschen nachdenklich zu machen. Es ist in bisschen wie Sokrates, der auf den Marktplatz gegangen ist und sagte: „Erkenne dich selbst“, damit die Menschen ihr eigenes Glück finden und sich emanzipieren von diesen ganzen Glückszumutungen, die sie eigentlich unglücklich machen.


Wissen wir heute mehr über das Glück als die Menschen früher?

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Manche Glücksbücher sagen, wir wüssten durch die Hirnforschung erst heute richtig was das Glück ist. Aber über Glück haben die Menschen zu allen Zeiten nachgedacht und da ist es, finde ich, unbescheiden, wenn man so tut, als könnte man selbst jetzt alles wissen über das Glück.

Mein Anliegen war, all die wirklich klugen Gedanken, die Menschen im Laufe der Jahrhunderte über das Glück gehabt haben, in allgemein verständlicher und ein bisschen unterhaltsamer Weise zu präsentieren - so dass jeder sich das rausholen kann, was für ihn persönlich nützlich ist.

Warum sind Glücksgefühle nicht das wahre Glück?

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Das ist so ähnlich wie bei Schuldgefühlen: Schuldgefühle sind keine Schuld. Es sind häufig pathologische Schuldgefühle, die man behandeln kann und dann sind sie nachher nicht mehr da. Aber Schuld ist etwas Existenzielles. Und Glücksgefühle, die kann man auch produzieren in dem man eine Elektrode ins Gehirn an die Stelle legt, wo Glücksgefühle produziert werden, und sich dann auf eine Intensivstation legt. Ich habe noch niemanden gefunden, der das gerne machen würde. Beim Glück geht es nicht bloß um Gefühle - es geht um etwas Existenzielles, etwas, das viel tiefer geht als Gefühle.


Wieso erfährt man wahres Glück nur im Unglück?

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Das war die entscheidende Frage des Buches!
Der Psychiater und Philosoph Carl Japsers, den ich sehr schätze, hat gesagt, der Mensch empfinde sich selbst existenziell am ehesten in Grenzsituationen, in Leid, Schuld, Kampf, oder Tod. In diesen Situationen empfindet er, wer er selbst eigentlich ist, da spürt er sich.
Wenn man nun sagen könnte, wie man in diesen Situationen glücklich sein kann, dann kann man - logischerweise – auch unvermeidlich glücklich werden, weil diese Grenzsituationen unvermeidlich sind.

Wirklich tief glücklich kann man nur sein, wenn man selbst unter dem Damokles-Schwert dieser Grenzsituationen ein Glück, einen Sinn im Leben erleben kann - und nicht dauernd in der Gefahr lebt, jeden Moment könnte etwas passieren, mir Leid zustoßen - damit kann man nicht wirklich gelassen glücklich sein.
Aber wenn man weiß: selbst in solchen Situationen bin ich getragen von einem Gefühl tiefen Glücks - dann kann man wirklich glücklich sein.


Das Glück im Unglück finden - gelingt das mit jeder Religion?

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Der Buddhismus ist eine sehr kluge Religion, die viel mehr Erfahrung mit der menschlichen Psyche hat als das Christentum. Da kann man auch vom Buddhismus viel lernen - aber zum Leid bietet er keine wirkliche Antwort, da ist er eher auf der Flucht vor dem Leid: das Ausweichen vor dem Leid ist eigentlich die buddhistische Methode (die vielleicht mit Buddhas Lebensgeschichte zu tun hat, der von der plötzlichen Begegnung mit dem Leid ja traumatisiert war),
Ich glaube, dass buddhistische Anleitungen zur persönlichen Gelassenheit ganz nützlich sein können, auch für Christen, aber das ist nicht eine wirkliche Antwort auf den existentiellen Ernst des Lebens - aus meiner Sicht jedenfalls.
Und ich glaube, dass das Christentum darauf teife Antworten gegeben hat, auch das Judentum und die Philosophie - Carl Japsers selbst hat auch in diesen Grenzsituationen Sinn erlebt, allerdings in einer etwas verschraubten Situation, die nicht jeder einfach so nachvollziehen kann.


Warum macht Erfolg allein noch nicht glücklich?

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Weil der Erfolg von Zufällen abhängt. Ich habe beim Geburtstag meiner Töchter gesagt, ich wünsche euch keinen Erfolg. Jeder soll die Fähigkeiten die er hat auch einsetzten, aber der Erfolg hängt von so vielen Zufällen ab, dass er nicht wirklich wichtig ist. Wenn man seine Stimmung vom Erfolg abhängig macht, dann ist das ein Anleitung zum unglücklich sein. Ich habe Patienten behandelt, da war Zustand vom DAX-Kurs abhängig, mit den Aktien sank die Stimmung und die ganze Familie litt darunter.

Statt eines erfolgreichen Lebens sollte man ein gelungenes Leben führen wollen. Zum Beispiel Vincent van Gogh, der hat ein gelungenes Leben geführt, aber Erfolg hatte er in seinem Leben keinen. Stalin hingegen war erfolgreich, er hat den Krieg gewonnen und war bis zu seinem Tod der gefürchtete und mächtigste Mann. Aber wird man dieses Leben ein gelungenes Leben nennen? Es gibt einen KZ-Kommandanten, der kurz vor seinem Tod gesagt hat, er habe ein glückliches Leben geführt. Das ist aber nicht das, was wir unter Glück verstehen. Die Griechen haben unter Glück auch immer ein gelungenes Leben verstanden – durchaus auch im ethischen Sinne.


Können Selfies das Glück festhalten?

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Ich glaube diese Selfie-Mentalität ist sehr anstrengend, sehr mühevoll und beruht auf einen Irrtum: Man kann keinen Moment festhalten. Die Dauer-Kommunikation führt häufig dazu, dass Patienten vergessen, wer sie selbst eigentlich sind. Sie sind so sehr vom sozialen Netzwerk oder von „Freunden“ beeinflusst werden, dass sie nur noch mit dem Strom schwimmen. Sie fragen nicht: „Was ist für mich eigentlich wirklich wichtig? Ist es das, was ich da gerade im Netzwerk gelesen habe oder das was ich gerade erlebe?“


Sie halten viele Vorträge, wie unterscheidet sich das Hörbuch lesen davon?

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Erst einmal ist es ganz witzig, dass ich auch beim Lesen eines Hörbuchs gestikuliere. Da mache ich mich immer lustig über Italiener, wenn die am Telefon mit Händen und Füßen reden und dann scheint es bei mir auch der Fall zu sein. Aber ich bin ja Rheinländer, also im Grunde Norditaliener. Bei diesem Hörbuch fand ich es ganz angenehmen, das ich reden konnte, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Ich hoffe der Hörer merkt, dass das Hörbuch sauber gelesen ist, aber mit einem gewissen Akzent.


Warum ist es Ihnen wichtig, Ihre Bücher selbst zu lesen?

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Ich habe einmal ein Buch lesen lassen, und da hat derjenige, der das gelesen hat, die Scherze nicht verstanden. Und dann habe ich da reingehört und hatte fast Tränen in den Augen. Es war unfreiwillig komisch, aber natürlich auch ärgerlich. Wenn man bestimmte Dinge besonders wichtig findet, dann kann man sie, wenn man das Hörbuch liest, auch besonders betonen – so wie man sie gemeint hat und ist nicht irritiert davon, dass der Leser es nicht verstanden hat. Das liegt ja nicht unbedingt am Leser, es liegt vielleicht auch an mir, der ich den Text nicht klar geschrieben habe. Aber wenn ich meinen eigenen Text lese, dann kann ich ihn wenigstens so betonen, wie er gemeint ist.