Die Nähe zwischen Menschen und Tieren wächst. In unseren modernen Ballungsräumen verspüren immer mehr von uns in sich den Ruf nach freier Natur und wir umgeben unser Leben mit Hunden, Pferden, Katzen, Meerschweinen und anderen Kleinsäugern. Manchmal sind es auch nur Aquarien oder Terrarien und ein Einzelfällen haben die Menschen sogar ihre Spinnen oder Bienen ganz doll lieb. Eine größtmögliche Freiheit und ein artgerechtes Leben der Liebsten liegt immer mehr Tierhaltern sehr am Herzen und die Hauptaufgabe der meisten Tiere besteht darin, dem Menschen wenigstens eine klitzekleine Flucht aus den zwängen unserer Leistungsgesellschaft zu ermöglichen. Marktanalysten sehen einen Trend, den sie den „Pet Humanisation Trend“ nennen und er ist weltweit feststellbar: Tiere sind für viele Menschen mittlerweile die besseren Lebensgefährten.
„Es ist das Schicksal des Haustieres, dass seine Rolle in der Welt vom Menschen bestimmt wird.“ (Christina Hucklenbroich)
Mit sicherem Gespür hat die zugehörige ‚Zuliefer-Industrie‘, allen voran der Zoohandel und die Hersteller von Fertigfutter, diesen Trend entdeckt und sie forciert ihn unablässig, denn der moderne Tierhalter lässt sich seine Tierliebe einiges kosten. Aber auch viele andere Berufszweige profitieren von diesem Trend und die meistens davon verdanken ihm sogar seine Existenzberechtigung: Vor allem Pferde und Hunde werden geflüstert, gecoacht, ausgebildet, kommuniziert, konditioniert und manchmal auch geblechschüsselt. Aber auch in vielen anderen Bereichen des täglichen Lebens schlägt sich der Trend zum Tier nieder: So boomen in unserem Land zur Zeit die Tiertafeln, Angebote der tiergestützten Therapie und Pädagogik, hundefreundliche Arbeitsplätze und Tagespflegeangebote für die Liebsten, häufig liebevoll Hutas genannt, bis hin zu Hospizen für Tiere. Fast alles, was mit Tier zu tun hat, ist angesagt und alle Angebote für Mensch und Tier, die eine mit der Tierhaltung einhergehende Einschränkung minimieren oder ausschließen, haben Hochkonjunktur. Freiheit und zurück zur Natur, das ist das Motto, und unsere Tiere machen es möglich, dass unser Leben durch sie wieder etwas einfacher, natürlicher und vor allem übersichtlicher wird!
„In einer Welt der unendlichen Wahlmöglichkeiten kann das Tier zum Korrektiv werden, zu einem Anker, an den der Mensch sich klammern kann, wenn man Entscheidungen treffen muss. [...] Es ist die Freiheit der Begrenzungen, die Freiheit nicht immer wählen zu müssen, weil ja das Tier da ist.“ (Christina Hucklenbroich)
Ich schreibe hier über das Buch „Das Tier und wir“ der Wissenschaftsjournalistin Christina Hucklenbroich, dessen Ziel es ist, „Einblicke in eine komplexe Freundschaft“ zwischen Menschen und Tieren zu bieten - und es ist ihr tatsächlich gelungen. Kreuz und quer ist sie für ihre Reportagen durch unsere Republik gereist und hat mit allerhand Menschen gesprochen, die sich alle auf ihre Weise mit dem Thema auskennen und etwas zu sagen haben. Sie besuchte Hundetrainer, Tierschützer, Wissenschaftler, Pferdeflüsterer, Zoohändler, Hundefutterfabrikanten, verarmte Hunde- und Katzenhalter, Tiertafeln, Tierärzte und viele mehr. Entstanden ist ein sehr umfassendes und interessantes Buch, randvoll mit spannenden Reportagen über die Krisen und Trends der modernen Haustierhaltung. Sie hinterfragt viele Klischees wie etwa das Tier als Kinderersatz (Man spricht heute von sogenannten Pet Parents und Furkids) oder als Familienmitglied. Anhand der neuesten wissenschaftlichen Studien erklärt sie was Menschen an Tiere bindet und wie Tiere ihnen helfen können, das Leben besser zu bewältigen. Das Literaturverzeichnis des Buches ist wirklich beeindruckend und auch für Ottonormalhundehalter gespickt mit interessanten Hinweisen.
Ganz im Stil einer Reportage, der besser vieler Reportagen, bleibt die Autorin Hucklenbroich mit ihrer eigenen Auffassung im Hintergrund, lässt die Interviewten sprechen und den Leser sich seine eigene Meinung bilden. Sie vertritt vordergründig keine Ideologie oder Weltanschauung und informiert auch in ihrem Zusammenfassungen und Bewertungen sachlich und neutral, wobei auch hier die Ausnahme ein Teil der Regel ist - doch hierzu gleich etwas mehr! Es ist wirklich ein lesenswertes Buch und interessant für alle tierlieben Menschen, die sich gerne mit der Lebenssituation ihrer Tiere und darüber hinaus auch mit ihrem eigenen Tier-Fimmel auseinandersetzen. Darüber hinaus habe ich allergrößten Respekt vor der liebevollen Kleinarbeit, die die Autorin in jede Reportage und in jeden Artikel gesteckt hat. Nicht zuletzt wegen ihrer angenehmen und getragenen Schreibweise (Sie ist eine kleine Erklärbärin!) können wir das Buch „Das Tier und wir“ uneingeschränkt empfehlen und vergeben deshalb volle fünf Sterne!